Feinstaubmessung, um die Belastung zu Fuß oder per Rad zu reduzieren
App liefert Daten zur individuellen Feinstaubbelastung
Forschungsschwerpunkt: Sustainable Engineering and Energy
Pendeln zu Fuß und dem Rad kann ein wichtiger Baustein für einen gesunden, beweglichen Alltag sein. Aber wie gesund ist die Luft, die wir dabei atmen? Das Projekt Gesundheitliche Optimierung der Fußgänger- und Fahrrad-Infrastruktur liefert erstmals Daten zur individuellen Feinstaubbelastung in einer App. Die Ergebnisse können auch Stadtplaner*innen unterstützen, gesundheitsorientierte Infrastrukturmaßnahmen zu treffen.
Feinstaub ist laut WHO die vierthäufigste Todesursache weltweit und spielt eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Atemwegserkrankungen, Krebs und Herz-Kreislauf-Leiden. Bisher fehlt eine zuverlässige, individuell skalierte Datengrundlage, um das Gesundheitsrisiko für aktive Verkehrsteilnehmende realistisch abzuschätzen – genau hier setzen IDEA System GmbH, FZI Forschungszentrum Informatik und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) an. Ihr Projekt Gesundheitliche Optimierung der Fußgänger- und Fahrrad-Infrastruktur wird im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND mit insgesamt 134.135,50 Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert.
„Fußgänger und Radfahrende sind eine Risikogruppe, weil sie häufig in direktem Kontakt stehen. Wenn sie wissen, welche Strecken stark belastet sind, können sie ihr Risiko aktiv reduzieren. Umgekehrt kann die Verkehrsinfrastruktur durch Messergebnisse von Bürger*innen optimiert werden,“ so Prof. Dr. Hans Richard Doerfel, Gründer und Geschäftsführer der IDEA System GmbH. Mit dem Ziel, eine App zu entwickeln, mit der Fußgänger*innen und Radfahrende ihre Feinstaubbelastung auf ihren täglichen Wegen in Ballungsgebieten messen und ihr Gesundheitsrisiko ableiten können, ging er eine Kooperation mit dem FZI Forschungszentrum Informatik und dem Institut für Sport und Sportwissenschaft des KIT ein.
Entstanden ist ein Prototyp für eine Feinstaubdosimeter-App. Auf Basis des individuellen Atemvolumens und der orts- und zeitabhängigen Feinstaubkonzentration in der Luft misst sie die Feinstaubbelastung der Nutzenden pro zurückgelegter Strecke: Das Atemvolumen, die Geschwindigkeit, Streckendauer, Steigung, Feinstaubbelastung und die wahrscheinlich eingeatmete Menge von Feinstaub in der Partikelgröße < 2,5 µm sowie < 10 µm werden den Nutzenden am Ende der Strecke angezeigt.
„Bisher wussten wir, wo die Luft verschmutzt ist – aber nicht, wie stark Menschen sie tatsächlich einatmen. Die größte Herausforderung war, die individuelle Belastung realistisch zu erfassen – und dafür Technik, Medizin und Verkehrsplanung zu verbinden,“ so Christoph Becker, Wissenschaftler und Leiter des Projekts am FZI. Der Prototyp der App ruft nun während der Aufzeichnung im Abstand von 10 Sekunden den Standort ab, speichert dazu die gemessene Geschwindigkeit der Nutzenden und ruft die örtliche Feinstaubkonzentration ab. Die Daten zur Feinstaubbelastung bezieht die App dabei von Google. Die App unterteilt die Strecke in Abschnitte mit etwa gleicher Geschwindigkeit und berechnet zunächst die nötigen Parameter für die Inhalationsfunktion. Aus diesen Parametern ermittelt die App das durchschnittliche Atemvolumen anhand der empirischen Inhalationsfunktion und zusammen mit der Feinstaubbelastung schlussendlich die inhalierte Feinstaubmenge für jeden Abschnitt.
Das durchschnittliche Atemvolumen beim Gehen sowie dem Fahren mit Hollandrad, Mountainbike und Rennrad hat das Sportinstitut des KIT in Belastungsmessungen ermittelt. Dabei berücksichtigen die Wissenschaftler*innen Körpergröße, Gewicht, Geschwindigkeit und Geländeprofil. „Während wir in Ruhe lediglich 6 bis 8 l Luft pro Minute einatmen, steigert sich dieser Wert beim Gehen oder Radfahren schnell auf 40 bis 50 l, was schlussendlich auch die Feinstaubaufnahme erhöht. Zusätzlich ist das eingeatmete Luftvolumen stark von individuellen Faktoren abhängig. Daher haben Nutzer*innen der App die Möglichkeit diese anzugeben, um eine präzise Schätzung zu ermöglichen.“, so Dr. Stefan Altmann vom KIT.
Die Projektpartner stellen mit der Feinstaubdosimeter-App ein praxisnahes Werkzeug zur Verfügung, das Fußgänger*innen und Radfahrende nicht nur ihre persönliche Belastung aufzeigt, sondern auch Stadtplaner*innen hilft, gesundheitsorientierte Infrastrukturmaßnahmen zielgerichtet umzusetzen. In Planung ist bereits die Weiterentwicklung der App – etwa die Integration feinstaubsensitiver Routingfunktionen und die Ausweitung auf weitere Schadstoffe wie Stickoxide. Auch Wearables zur präziseren Erfassung des Atemvolumens sind denkbar.
Unter dem Titel „Feinstaub und Mobilität“ wirft der mPACT-PulseTalk am 14. Mai 2025 um 13:30 Uhr einen Blick auf das Thema Luftreinhaltung. Im Fokus steht dabei die Frage, wie mit datengetriebenen Innovationen, Künstlicher Intelligenz oder innovativer Sensorik neue Ansätze für mehr Effizienz im Transportwesen auf den Weg gebracht werden können. Mehr Informationen und Anmeldung unter: https://daten.plus/mpact-pulse-talk-17
Über das FZI
Das FZI Forschungszentrum Informatik mit Hauptsitz in Karlsruhe und Außenstelle in Berlin ist eine gemeinnützige Einrichtung für Informatik-Anwendungsforschung und Technologietransfer. Sie bringt die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Informationstechnologie in Unternehmen und öffentliche Einrichtungen und qualifiziert für eine akademische und wirtschaftliche Karriere oder den Sprung in die Selbstständigkeit. Betreut von Professor*innen verschiedener Fakultäten entwickeln die Forschungsgruppen am FZI interdisziplinär für ihre Auftraggeber Konzepte, Software-, Hardware- und Systemlösungen und setzen die gefundenen Lösungen prototypisch um. Mit dem FZI House of Living Labs steht eine einzigartige Forschungsumgebung für die Anwendungsforschung bereit. Das FZI ist Innovationspartner des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und strategischer Partner der Gesellschaft für Informatik (GI).
Über das Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.
Über das Förderprogramm mFUND des BMDV
Im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND fördert das BMDV seit 2016 datenbasierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte für die digitale und vernetzte Mobilität der Zukunft. Die Projektförderung wird ergänzt durch eine aktive fachliche Vernetzung zwischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Forschung und durch die Bereitstellung von offenen Daten auf der Mobilithek. Weitere Informationen finden Sie unter www.mFUND.de.



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