Nachruf

23.07.2025

Tiefe Trauer um „Mister FZI“

Gründungsvorstand Professor Peter C. Lockemann gestorben

Die Brille auf der Nasenspitze, strahlende blaue Augen, immer voller Energie und im Einsatz für die Informatik: So konnte man Professor Peter Lockemann nicht nur am FZI erleben. Leidenschaftlich engagierte er sich für die Informatik und den Wissens- und Technologietransfer. Als Vorstand stellte er in den ersten 20 Jahren des FZI die Weichen für den Erfolg und prägte auch als Direktor unsere Transfereinrichtung mit seiner Persönlichkeit. Als ein Vordenker der Wirtschaftsinformatik galt seine Forschungsleidenschaft der Datenbanktechnik und betrieblichen Informationssystemen. Am Montag ist er im Alter von 89 Jahren verstorben.

„Mit großer Trauer nehmen wir Abschied von Peter Lockemann, einem außergewöhnlichen Menschen, der unsere Arbeit und unser Selbstverständnis geprägt hat. Er legte den Grundstein für das, was uns als FZI ausmacht: immer die Anwendung im Blick, die Zusammenarbeit über Fachgrenzen hinweg und den Auftrag zum Wissens- und Technologietransfer. Wir verlieren mit ihm nicht nur einen Vordenker und Gestalter, sondern auch einen leidenschaftlichen Kollegen, dessen kluge, klare Worte uns sehr fehlen werden“, würdigt FZI-Vorstand Jan Wiesenberger den Mitgründer des FZI. 

Wegbereiter der angewandten Informatik

Als einer der ersten deutschen Informatikprofessoren war Peter Lockemann 1972 Gründungsmitglied der ersten deutschen Informatik-Fakultät: An der Universität Karlsruhe, dem heutigen Karlsruher Institut für Technologie, gestaltete er von 1979 bis 1981 als Dekan die Fakultät für Informatik und leitete bis zu seiner Emeritierung das dortige Institut für Programmstrukturen und Datenorganisation (IPD).

Die junge Disziplin der Informatik stieß Anfang der Achtziger auf große Nachfrage aus der Wirtschaft, insbesondere Informatik für die industrielle Produktion war stark nachgefragt. Die Idee zur Gründung eines außeruniversitären Forschungs- und Transferzentrums für IT-Anwendungen fiel 1984 somit auf fruchtbaren Boden und gab den Startschuss für die Einrichtung eines Forschungszentrum Informatik (FZI).

Ein Glücksfall für das FZI

„Nachträglich betrachtet war es ein Glücksfall, dass sich im Jahr 1984 acht Professoren fanden, welche die Ziele des FZI mit Idealismus verfolgten”, konstatierte Peter Lockemann selbst zu den Anfängen des FZI. Neben ihm legten Gerhard Goos, Klaus Bender, Hans Grabowski, Ulrich Rembold, Detlef Schmid, Gerhard Schweizer und Werner Zorn den Grundstein für unsere gemeinnützige Forschungseinrichtung. 1985 wurde das FZI in die Selbstständigkeit entlassen und feierte in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen.

Als Visionär und Macher gab Peter Lockemann in den zwei Anfangsjahrzehnten des FZI die Richtung vor: Von 1985 bis 2005 gestaltete er als Vorstand mit seinem Engagement die Ausrichtung des FZI, was ihm den Spitznamen „Mister FZI“ einbrachte. 

Was ihn dabei antrieb, war das Thema Innovation: Für ihn war dies der Transfer von Forschungsergebnissen in die wirtschaftliche Nutzung.

Gelebte Interdisziplinarität für den erfolgreichen Technologietransfer

„Ich selber bin durch meine Erfahrungen mit Anwendungen geprägt worden und habe diese auch immer gesucht. Später waren dies vor allem Produktionstechnik, Elektronikentwurf, Verkehrswesen und Gebäudearchitektur. Ich habe deshalb immer stark interdisziplinär gearbeitet. Ich habe mich auch nicht als reinen Technologen gesehen“, sagte Peter Lockemann über sich selbst.

Anwendungsorientierung durch gelebte fachübergreifende Zusammenarbeit prägte schon bei der Gründung vor 40 Jahren das FZI. Nicht nur kamen die Gründerväter um Peter Lockemann aus allen Bereichen der Informatik, auch Maschinenbauer und Elektrotechniker gehörten bereits dazu. Diese Interdisziplinarität ist bis heute Teil des Erfolgsrezepts des FZI. Im Direktorium engagieren sich heute 27 Professorinnen und Professoren für den Wissens- und Technologietransfer aus zahlreichen Disziplinen. 

Sein Lebenswerk wirkt weiter

Peter Lockemanns Leidenschaft in der Anwendungsforschung galt der Entwicklung von Datenbanken und großen, verteilt organisierten, kooperierenden Informationssystemen. Neben seinen Forschungsarbeiten hat er die Informatikdisziplin durch vier Lehrbücher und über 100 wissenschaftliche Artikel bereichert. Sieben seiner Schüler sind zu Universitätsprofessoren berufen worden, weitere haben eine Professur an einer Fachhochschule erhalten. Mehr als 50 Promotionen hat er als Doktorvater betreut, zahlreiche davon auch im Rahmen seiner Direktorentätigkeit am FZI ganz im Sinne des vom ihm mitgeprägten FZI-Ziels, dem „Wissens- und Kompetenztransfer über Köpfe“.

Aber auch international gestaltete er als einer der Vordenker der Wirtschaftsinformatik seine Disziplin mit. Er hatte Gastprofessuren in den USA unter anderem am Caltech und am MIT übernommen und war bis zuletzt beratend bei Netzwerken, in Wirtschaft und Ministerien tätig. Über zehn Jahre war er der deutsche Vertreter im Technischen Komitee 8 (Informationssysteme) der IFIP und von 1981 bis 1997 Trustee der VLDB Endowment, Inc., ab 1993 als Präsident. Als Gutachter für die Deutsche Forschungsgemeinschaft gehörte er auch den Gutachtergremien mehrerer DFG-Schwerpunktprogramme an. 

Von 1970 bis 1972 war er leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung GMD – Forschungszentrum Informationstechnik GmbH, einer deutschen Großforschungseinrichtung für angewandte Mathematik und Informatik. Involviert in ein Projekt zur Entwicklung eines juristischen Informationssystems, stellte er die Gesetzeslage und die Urteile für Juristen in einem „Information Retrieval System“ zusammen.

Seit 1972 prägte er die Karlsruher Informatiklandschaft als Professor an der Universität Karlsruhe (TH), später Karlsruher Institut für Technologie, sowie als Vorstand und Direktor am FZI Forschungszentrum Informatik. 

„Herausragende Leistungen für das Gemeinwohl“ und für die Informatik​

Für sein Engagement in der Informatik wurden Peter Lockemann zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen zuteil. 2003 verlieh ihm die Johann Wolfgang Goethe-Universität für seine Verdienste in der Forschung und als Förderer des Wissenstransfers in die Unternehmenspraxis die Ehrendoktorwürde. Im Jahr 2005 wurde Peter Lockemann durch Bundespräsident Horst Köhler das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Der baden-württembergische Ministerpräsident Günter Oettinger dankte ihm für „herausragende Leistungen für das Gemeinwohl“. Der damalige FZI-Vorstand Michael Flor würdigte ihn 2011 mit der Ernennung zum „Direktor emeritus” als verdiente FZI-Persönlichkeit.

Bis zuletzt engagierte sich Peter Lockemann für den Wissens- und Technologietransfer. Sein Wirken in Wissenschaft und Forschung wird auch über seine Lebenszeit hinaus Bestand haben. 

Wir gedenken seiner in tiefer Dankbarkeit und führen seine Vision für das FZI fort.
Unsere aufrichtige Anteilnahme gilt seiner Frau und seiner ganzen Familie sowie allen, die ihm nahestanden.