Presseinformation

03.11.2021

Pionierarbeit im automobilen IT-Dschungel

Projekt „Software-defined Car“ (SofDCar) soll neue Methoden und Prozesse für das Auto der Zukunft und seine effektive Datennutzung entwickeln.

Forschungsschwerpunkt: Intelligent Transportation Systems

In Fahrzeugen sind heute teilweise über 100 Steuergeräte verbaut. Die hohe Komplexität der elektrischen und elektronischen Systeme und ihrer Architektur nimmt künftig weiter zu, muss gleichzeitig aber beherrschbar bleiben. 13 Unternehmen und Forschungseinrichtungen, darunter die Universität Stuttgart, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS) sowie das FZI Forschungszentrum Informatik wollen im Projekt „Software-Defined Car“ (SofDCar) nun gemeinsam standardisierte Regeln und Prozesse schaffen, damit die elektronischen Komponenten im Fahrzeug reibungslos zusammenspielen, jederzeit aktualisierbar und damit sicher bleiben.

Ziel des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekts „SofDCar“ ist es, dass künftig alle Software-Updates und -Upgrades Regeln und Prozessen folgen, durch die sie kontrollierbar sind und dem Einsatz einer konsequenten Methodik für funktionale und IT-Sicherheit unterliegen. Das stellt sicher, dass sich einzelne Programme nicht gegenseitig stören und im System fehlerfrei arbeiten. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass neue Funktionen im und um das Fahrzeug künftig schneller entwickelt werden und sicher zu den Autofahrern kommen – ein Fahrzeugleben lang. Zu den Projektpartnern aus der Industrie zählen neben Konsortialführer BOSCH BooleWorks GmbH, ETAS GmbH, Mercedes-Benz AG, P3 digital services GmbH, T-Systems International GmbH, Vector Informatik GmbH, ZF Friedrichshafen AG sowie als assoziierter Partner die Landesagentur e-mobil BW GmbH.

„Das Großprojekt SofDCar ist ein Paradebeispiel dafür, wie Digitalisierung in der Fahrzeugtechnologie vorangetrieben wird – in enger Zusammenarbeit von Unternehmen unterschiedlicher Branchen mit Partnern aus der Wissenschaft“, sagt die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. „Der InnovationsCampus Mobilität der Zukunft (ICM) an der Universität Stuttgart und dem KIT bietet mit dem Schwerpunkt ‚Software-defined Mobility‘ die ideale Kooperationsumgebung für SofDCar, denn hier sind exzellente Forschung, wirtschaftliche Umsetzung und akademische Qualifizierung eng miteinander verzahnt. Genau diese enge Verknüpfung streben wir im Land mit dem Strategiedialog Automobilwirtschaft BW an.“

Prof. Peter Middendorf, Prorektor Wissens- und Technologietransfer der Universität Stuttgart, betont: „Die Bewilligung des BMWi Projekts Software-defined Car ist auch für die Universität Stuttgart und das KIT ein großartiger Erfolg, da zum einen die Initiative des gemeinsamen Konsortiums mit dem FKFS und FZI sowie natürlich den starken Industriepartnern aus dem Innovationscampus Mobilität der Zukunft kam und zum anderen mit dem thematischen Schwerpunkt des Projekts eine geradezu ideale Anknüpfung an das neue Strategiefeld „Software-defined Mobility“ des ICM besteht.“

„Wir wollen mit innovativen Ideen den Transformationsprozess hin zu einer umweltfreundlichen, vernetzten und automatisierten Mobilität vorantreiben. Mit der Förderung von SofDCar kommen wir dieser Vision einen großen Schritt näher“, sagt Professor Thomas Hirth, Vizepräsident für Innovation und Internationales des KIT. „Der Innovationscampus Mobilität der Zukunft bietet eine hervorragende Plattform, um exzellente, innovative und interdisziplinäre Forschung zu betreiben.“

Ein neuer Digitaler Zwilling für die Fahrzeugarchitektur der Zukunft

Teil des Projekts ist die Entwicklung eines erweiterten Digitalen Zwillings, also eines virtuellen Abbilds der Entwicklungs- und Laufzeitdaten eines Fahrzeugs. Dieser Zwilling umfasst künftig die im Fahrzeug und in der Cloud verteilten Daten – von der Herstellung eines Fahrzeugs bis zu seiner Verschrottung. Damit geht dieser deutlich über das bisher unter dem Begriff Digitaler Zwilling gefasste Bild hinaus, da er erstmals den gesamten Lebenszyklus eines modernen Fahrzeugs umfasst und auch die Domänen Cloud, Apps, Backend- sowie Entwicklungssysteme einschließt. Das Projekt will damit sicherstellen, dass sich der Informationsfluss von Fahrzeugdaten und Softwareversionen wie ein roter Faden durch alle Datenbanken und Server zieht. Aktualisierungen der Software und neue digitale Funktionen und Dienste lassen sich somit zu jeder Zeit einfacher und vor allem schneller umsetzen.

5G-Teststrecke auf dem Campus der Universität Stuttgart

Seitens der Universität Stuttgart bringen sich unter Leitung von Prof. Dr. Michael Weyrich vom Institut für Automatisierungstechnik und Softwaresysteme acht Arbeitsgruppen aus drei Fachbereichen in die Arbeiten an der Software-definierten automobilen Zukunft ein. Ein wesentlicher Beitrag ist dabei der Aufbau des hybriden Demonstrators „Campus Vaihingen“: Mittels einer Echtzeit-5G-Teststrecke auf der Ringstraße des Campus können unter realitätsnahen Bedingungen Testfahrzeuge und andere Testaufbauten aller Partner auf und abseits der Straße getestet werden. Prof. Weyrich betont: „An der Universität Stuttgart werden wir uns mit den Kollegen aus Karlsruhe mit einer IT-Referenzarchitektur für die Fahrzeuge der Zukunft befassen. Dabei geht es um den Einsatz von Software im so genannten Edge-Backend, also Informationsknotenpunkten außerhalb der Fahrzeuge in der zukünftigen IT-Infrastruktur. Anhand des Digitalen Zwillings sowie des Echtzeit-5G-Campusnetzes können wir die Referenzarchitekturen für einen kontinuierlichen und beidseitigen Datenaustausch für neue Funktionen in den Fahrzeugen der Zukunft konzeptionieren.“

Das FKFS erarbeitet Im Projekt Software Defined Car Technologien zur Optimierung des Kundennutzens vernetzter Automobile: Im europaweit einzigartigen Stuttgarter Fahrsimulator werden mit Versuchspersonen aus der Bevölkerung die Auswirkungen von Online-Softwareupdates auf das Fahrerlebnis untersucht. Beispiele sind neue Funktionen zur Verbesserung des Komforts und der Fahrsicherheit von teil- und vollautonomen Fahrzeugen. „Mit intelligenten Funktionen in der Cloud wird die Früherkennung und Abwendung drohender Defekte von Komponenten in Elektrofahrzeugen erforscht“, sagt Prof. Hans-Christian Reuss, Vorstandsmitglied des FKFS und Inhaber des Lehrstuhls Kraftfahrzeugmechatronik an der Universität Stuttgart. „Dadurch wird ein „Liegenbleiben“ des Fahrzeugs in vielen Fällen verhindert, was sich positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirkt.“

Sicherheit und Verlässlichkeit von Fahrzeug-Software

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des KIT betrachten innovative Entwicklungsmethoden und Qualitätssicherungsansätze für die Automobilindustrie, insbesondere mit Blick auf die IT-Sicherheit. „Neben der engen Zusammenarbeit mit den anderen Forschungspartnern zur IT-Referenzarchitektur, liegen unsere Schwerpunkte im Bereich Sicherheit und Verlässlichkeit“, sagt Prof. Ralf Reussner vom KASTEL – Institut für Informationssicherheit und Verlässlichkeit des KIT. „Wir untersuchen beispielsweise, wie nach dem Kauf eines Fahrzeugs Software-Funktionalitäten einfach, sicher und verlässlich aktualisiert und dabei die verschiedensten kundenspezifischen Fahrzeugvarianten berücksichtigt werden können.“ Außerdem wollen die Forschenden des KIT die Informationsverwaltung und Sicherheitsprüfungen verbessern, Datenanalysealgorithmen und Datenschutzanalysen entwickeln, sowie Identitäts- und Zugriffsverwaltungssysteme, Update-Methoden und Absicherungs-strategien bereitstellen.

Neben diesen Aspekten befassen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am FZI Forschungszentrum Informatik mit der Absicherung, Verifikation und Konsistenzhaltung von Fahrzeugvarianten. Besondere Berücksichtigung finden hier das Erkennen von Einschränkungen und Schwachstellen in der Fahrfunktion, die Evolution sowohl von Varianten als auch einzelner Funktionalitäten sowie das Verwalten der entstehenden Versionen mit Hilfe des digitalen Zwillings. Durch die Identifikation und Extraktion von Prozessen und weiteren Leistungsdaten sollen weiterhin qualitätsgesicherte Anwendungsprozesse über die Fahrzeuggrenzen hinweg ermöglicht werden. Das Kompetenzzentrum IT-Sicherheit am FZI untersucht zusätzlich angewandte Fragestellungen zur IT-Sicherheit wie etwa die Security-Absicherung von Fahrzeugkomponenten mit Methoden der Künstlichen Intelligenz und auch mit praktischen Sicherheitstests an ausgewählten Komponenten.

„Gemeinsam erproben wir zudem im Testfeld Autonomes Fahren Baden-Württemberg verschiedene Aspekte im Bereich Software-over-the-Air, Absicherung und Robustheitssteigerung. Hierbei kommen auch unsere Testfahrzeuge zum Einsatz“, ergänzt Prof. J. Marius Zöllner, Vorstand des FZI sowie Professor am KIT. „Unser Ziel ist es, die Sicherheit von KI-basierten Funktionalitäten laufend zu verbessern, auch mit den wertvollen Evaluierungsmöglichkeiten durch das Testfeld.“

 

Portrait von Johanna Haes
Pressekontakt

Johanna Häs

Bereichsleitung Communications