Forschungsprojekt SWARM
E-Autos arbeiten im Verbund für das stabile Energiesystem von morgen
Forschungsschwerpunkt: Sustainable Engineering and Energy
E-Autos sind mehr als reine Verkehrsmittel und ihre Ladesäulen mehr als Stromtankstellen für die Fahrzeuge: Das beweist das gerade abgeschlossene Forschungsprojekt SWARM mit FZI-Beteiligung. Im InvestBW-geförderten Projekt wurde mit der POWERGrid-Cloud eine Plattform für dezentrales Energiemanagement entwickelt: Sie macht Ladesäulen und damit E-Fahrzeuge zu aktiven Akteuren für das intelligente Energiesystem von morgen, das mit erneuerbaren Energieträgern ein stabiles Stromnetz sicherstellt. Dezentrale Ladestationen bilden einen Schwarm, der über intelligente Abstimmungsverfahren sicherstellt, dass zuverlässig Primärregelleistung mit einem verteilen Pool von Elektrofahrzeugen für das Stromnetz angeboten und erbracht wird.
Inzwischen ist jeder fünfte Neuwagen in Deutschland ein E-Auto, Tendenz steigend. Entsprechend können E-Autos und ihre Ladeinfrastruktur im Zug der Energiewende eine zentrale Bedeutung erlangen: durch die Technologie des bidirektionalen Ladens kann der Strom über die Ladeinfrastruktur nicht nur vom Fahrzeug „getankt“ werden, sondern seine Batterie kann auch als temporärer Stromspeicher dienen, die den Strom im Bedarfsfall wieder abgibt (Anwendungsfall Vehicle-2-Grid) und auch dabei hilft, als dezentrale Komponente, die Stabilität des Stromnetzes zu sichern.
Ladesäulen denken mit- und untereinander,
um Primärregelleistung sicherzustellen
Die POWERJames GbmH und das FZI Forschungszentrum Informatik als Transferpartner haben sich im zweijährigen Forschungsprojekt SWARM eines besonderen Falles zur Stromnetzstabilisierung über dezentrale Steuerungsstrukturen angenommen: der Primärregelleistung, auch bekannt als Frequency Containment Reserve (FCR), als schnellste Regelreserve im Stromnetz. Diese Systemdienstleistung sorgt dafür, dass das Stromangebot und die Stromnachfrage im gesamten europäischen Verbundnetz im Gleichgewicht und damit stabil bleiben. Die Netzfrequenz wird dabei als Indikator genutzt, um den aktuellen Zustand im Netz zu konstatieren und auf ein konstantes Gleichgewicht von Last und Erzeugung bei 50 Hertz hinzuwirken.
In der Vergangenheit wurde die FCR vor allem durch fossile Kraftwerke und Pumpspeicherkraftwerke erbracht. In der Zukunft werden aber auch flexible Anlagen, wie beispielsweise Batteriespeicher, diese Funktion übernehmen. Im Forschungsprojekt SWARM hat das FZI Algorithmen entwickelt, die es ermöglichen, Ladestationen und E-Autos zur Bereitstellung von FCR zu nutzen. Dabei wurde auch eine wesentliche Prämisse für Netzstabilität berücksichtigt: Die Erbringung von FCR funktioniert auch dann, wenn zum Beispiel das Kommunikationsnetz ausfällt und damit keine Kommunikation mehr zwischen der Ladesäule und einem zentralen Vorgabengeber, wie einem Netzbetreiber, möglich ist.
Die auf Open-Source-Software beruhende POWERGrid-Cloud von POWERJames nutzt die flexible Lade- und Speicherkapazität der angeschlossenen Ladestationen für E-Autos. Im Verbund bilden diese mithilfe intelligenter, verteilter Algorithmen eine autonome Schwarmintelligenz, die dezentrale Energiemanagement-Aufgaben zur Erbringung von FCR übernimmt. Durch diese speziellen Steuerungsmechanismen ist es möglich, mit einem E-Fahrzeugpool zuverlässig FCR zur Netzstabilisierung bereitzustellen
Der Schwarm verteilt dabei die Gesamtkapazität des gesamten Pools automatisch und autonom auf Basis von Schwarmregeln, wodurch ein Masterknoten überflüssig wird. Die Wallboxen stimmen sich dynamisch hinsichtlich des individuellen Beitrags je Ladestation ab.
Der Ansatz ist zudem hoch skalierbar und modular: Es können sowohl einzelne autark ladende Wallboxen als auch eine hohe Anzahl von Knotenpunkten – beispielsweise in einem Parkhaus oder einem Stadtviertel – effizient in das System eingebunden werden.
Schwarm-System: erfolgreich getestet und Hindernisse entdeckt
In einem Feldtest wurde die dezentrale FCR-Erbringung praxisnah erprobt. Dazu wurden sieben Ladestationen an fünf Standorten installiert: drei Ladestationen an zwei Standorten des FZI in Karlsruhe, zwei Ladestationen bei POWERJames in Mannheim sowie jeweils eine Ladestation in Frankfurt und in Seckenheim. Dieser Test ermöglichte es dem Konsortium die entwickelten Systeme und Algorithmen unter realen Bedingungen mit einer Vielzahl unterschiedlicher E-Fahrzeuge zu testen und wichtige Erkenntnisse zu gewinnen.
Eine wichtige Erkenntnis, die die Forschenden und Mitarbeitenden des FZI und von POWERJames im Verlauf der Erprobung erlangten, betraf die unterschiedlichen Charakteristika der E-Fahrzeuge und der Wallboxen verschiedener Hersteller. Eine zentrale Anforderung an die FCR-Erbringung ist die schnelle Leistungsanpassung in Abhängigkeit zu der Frequenzänderung. Während des Feldtests wurde festgestellt, dass E-Fahrzeuge und Ladestationen unterschiedlicher Hersteller, insbesondere auch in deren Kombination, sich teilweise erheblich im Hinblick auf Reaktionsschnelligkeit und Genauigkeit der Leistungsvorgabe unterscheiden. Für den Praxistransfer des Ansatzes ist es daher wichtig, diesen Aspekt zu berücksichtigen und insbesondere weitere Untersuchungen mit größeren Fahrzeugpools vorzunehmen.
Zentral: die Vorhersage der Fahrzeugverfügbarkeit
Um FCR mit einem Pool von E-Fahrzeugen erbringen zu können, muss bereits im Vorfeld bestimmt werden, welche elektrische Leistung als FCR angeboten werden kann. E-Fahrzeuge haben die Eigenschaft mobil zu sein: Sie sind also nicht zu jeder Zeit an eine Ladestation angeschlossen. Aus diesem Grund wurde ein Vorhersagealgorithmus entwickelt, der datenbasiert die Verfügbarkeit von E-Fahrzeugen berücksichtigt und damit mit einem Sicherheitsabschlag die anzubietende FCR-Kapazität bestimmt.
Projektpartner und -netzwerk
Hauptprojektpartner des FZI Forschungszentrums Informatik im Forschungsprojekt SWARM ist die POWERJames GmbH mit Hauptsitz in Mannheim, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Digitalisierung im Bereich Elektromobilität voranzutreiben. Das Kerngeschäft der POWERJames GmbH liegt in der Entwicklung und dem Vertrieb von Ladestationen für E-Fahrzeuge sowie der dazugehörigen Dienstleistungen.
Im Rahmen von SWARM hat POWERJames in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern wie dem Dachverband des baden-württembergischen Handwerks Handwerk BW sowie der Marc König Unternehmensberatung prototypisch auch ein Betriebs- und Betreibermodell entwickelt. Es zielt besonders auf die Verknüpfung mit dem Handwerk und untersucht die Nutzerakzeptanz relevanter Stakeholder.
Was ist investBW?
investBW ist das größte Förderprogramm des Landes Baden-Württemberg zur Unterstützung von Innovationen und Investitionen in Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Die VDI/VDE-IT ist vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg mit der Abwicklung des Förderprogramms beauftragt. Ziel ist es, den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg mit seinen Innovationen zu stärken.
Über das FZI
Das FZI Forschungszentrum Informatik mit Hauptsitz in Karlsruhe und Außenstelle in Berlin ist eine gemeinnützige Einrichtung für Informatik-Anwendungsforschung und Technologietransfer. Sie bringt die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Informationstechnologie in Unternehmen und öffentliche Einrichtungen und qualifiziert für eine akademische und wirtschaftliche Karriere oder den Sprung in die Selbstständigkeit. Betreut von Professor*innen verschiedener Fakultäten entwickeln die Forschungsgruppen am FZI interdisziplinär für ihre Auftraggeber Konzepte, Software-, Hardware- und Systemlösungen und setzen die gefundenen Lösungen prototypisch um. Mit dem FZI House of Living Labs steht eine einzigartige Forschungsumgebung für die Anwendungsforschung bereit. Das FZI ist Innovationspartner des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und strategischer Partner der Gesellschaft für Informatik (GI).
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Ariane Heling
Wissenschaftliche Mitarbeitende
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